Sevenoaks School bringt Shakespeares „Winter’s Tale“ auf die Bühne

Sevenoaks School bringt Shakespeares „Winter’s Tale“ auf die Bühne

Nach einer dreijährigen coronabedingten Pause war es am Freitag endlich wieder so weit: Die Theatergruppe der englischen Partnerschule des Goethe-Gymnasiums aus Sevenoaks brachte im Bürgerhaus die eigens für ihre Deutschlandtournee erarbeitete Tragikomödie „The Winter’s Tale“ von William Shakespeare auf die Bühne. Morgens kam die gesamte Oberstufe in den Genuss der englischsprachigen Aufführung; die gut besuchte Abendveranstaltung war auch ein Dankeschön an die Gastfamilien der mehr als 30 beteiligten Jugendlichen.

Shakespeares Spätwerk beginnt düster, denn es schildert im ersten Teil, wie tyrannische Eifersucht und krankhafte Rachegefühle das Glück einer Königsfamilie zerstören. Leontes, König von Sizilien (Fred McGahan), und seine schwangere Frau Hermione (Fenella Hodges) haben seinen Jugendfreund Polixenes (Joshua Birch-Jones), König von Böhmen, am Hof zu Besuch. Als es Hermione gelingt, Polixenes zu einem längeren Aufenthalt zu überreden, erwacht in Leontes urplötzlich eine immer obsessiver werdende Eifersucht. Obwohl er von seinen Gefolgsleuten zur Vernunft beschworen wird, vermutet er überall Verräter und lässt Hermione ins Gefängnis sperren und beauftragt Lord Camillo, Polixenes zu vergiften. Beide fliehen jedoch ins fiktive Böhmen. Auch die neugeborene Tochter, die ihm von Lord Antigonus‘ Frau Paulina (Tabitha Bolter), eindringliche Verteidigerin der Integrität ihrer Königin, präsentiert wird, kann sein Herz nicht erweichen, vermutet er doch in seinem Wahn, Polixenes sei der Vater.  Als ihr gemeinsamer Sohn, Mamillius, wegen dieser tragischen Umstände stirbt, bricht Hermione zusammen und Paulina berichtet ihm vom vermeintlichen Tod seiner Gattin, deren Unschuld zuvor vom Orakel in Delphi bestätigt worden ist. Leontes empfindet tiefe Reue und Trauer. Derweil hat Antigonus im Auftrag des Königs dessen neugeborene Tochter im fiktiven Böhmen ausgesetzt. Der zweite Teil beginnt nach einem Zeitsprung von 16 Jahren und stellt nun die Versöhnung durch die junge Generation in einem komödienhaften, märchenhaften Theaterspiel in den Mittelpunkt: Das damals von einer Schäferin (Somto Chukwuma) aufgenommene Findelkind namens Perdita verliebt sich in Polixenes‘ Sohn, Prinz Florizel. Da der König gegen diese scheinbar nicht standesgemäße Verbindung ist, fliehen die beiden an den Hof nach Sizilien. Dort wird schließlich die wahre Identität Perditas enthüllt und es kommt zu einer Versöhnung zwischen den Königen, die die Verbindung ihrer Kinder segnen.  Das „Wintermärchen“ wird durch ein weiteres Happy End abgerundet: Leontes‘ totgeglaubte Gattin wird in der berühmten Statuen-Szene von Paulina zum Leben erweckt und der König findet wieder mit seiner Frau zusammen.  

„We all are stupid at times and have our failings“, erklärt Regisseur Jim Grant, dass uns menschliche Schwächen universell kennzeichnen. Er möchte mit seiner Bearbeitung des fast 400 Jahre alten Stücks, das er um ein Drittel gekürzt hat, daher die zeitlose Botschaft vermitteln, dass Mitgefühl, Vergebung und Verzeihen eine heilende Wirkung haben können.

Den jungen Schauspielern im Alter von 15 bis 18 Jahren ist bei vier Schulveranstaltungen in Tecklenburg, Rheine, Steinfurt und im Ibbenbürener Bürgerhaus außerordentlich beeindruckend gelungen, diese ganze Bandbreite menschlicher Gefühle darzustellen. Herausragend ist dabei vor allem, wie Fred McGahan den mehrfachen Wandel Leontes‘ verkörpert. Seine paranoide Eifersucht, tiefe Trauer und Reue nimmt man ihm ab und seine berührende Darstellung dieser starken Emotionen fesselt das Publikum in beiden Veranstaltungen. Auch Tabitha Bolter wirkt als leidenschaftliche Verteidigerin der Königin ebenso wie das gesamte begabte Ensemble nach, das bis in die Nebenfiguren stark besetzt ist. Das Bühnenbild (Chris Yelf) ist schlicht gehalten und hebt mit kleinen Veränderungen den Antagonismus zwischen Tod und Leben, zwischen Tragödie und Komödie hervor. Auch die Kostüme unterstreichen den Wechsel der Emotionen und sorgen im zweiten Teil durch komische Elemente – wie z. B. durch die Verkleidung Polyxenes‘, der auf einem Schafschurfest das Liebeswerben seines Sohnes heimlich beobachtet, für Lacher. Die Lichttechnik (Brendan Conell) wird geschickt eingesetzt; so wird etwa das drohende Unheil durch Leontes‘ wahnhafte Obsession durch die kühle blaue Farbgebung betont. Atmosphärische Geräusche und musikalische Elemente ziehen insbesondere im ersten Teil das Publikum regelrecht in den Bann, sodass die Schülerinnen und Schüler sich auf den verblendeten König und sein Schicksal fast andächtig einlassen.

Englischlehrer Kai Jackson und seine Kollegin Kirsten Lenzing freuten sich über die positive Resonanz auf das Gastspiel: „Unsere jahrzehntelange freundschaftliche Verbundenheit mit der Drama Group aus Sevenoaks hat auch den Brexit und die Pandemie überstanden. Jim Grant blickt bereits auf seine 10. Inszenierung zurück. Wir sind froh, dass er mit The Winter’s Tale den Schülerinnen und Schülern den berühmten englischen Dramatiker ebenso unterhaltsam wie berührend näher gebracht hat.“ Auch Schulleiter Lars Buchalle lobte unter anderem die kulturelle Bildung, die durch das Theaterprojekt ermöglicht werde. Jim Grant dankte in einer kurzen Ansprache im Namen der begleitenden Lehrkräfte aus Sevenoaks, die die aufwändige Organisation mit ermöglichten, sichtlich bewegt für die lange, außerordentliche Gastfreundschaft, die die Kooperation der beiden Schulen ermögliche. Alle Beteiligten freuen sich nun auf 2024, wenn die nächste Deutschlandtournee ansteht.

Kerstin Hannemann