Norman Wolf liest aus seinem Buch „Wenn die Pause zur Hölle wird“ am „Goethe“

Norman Wolf liest aus seinem Buch „Wenn die Pause zur Hölle wird“ am „Goethe“

In Kooperation mit der Stadtbücherei Ibbenbüren konnte das Goethe-Gymnasium jetzt Norman Wolf einladen, um mit den Klassen der Jahrgangsstufe 6 über Mobbing zu sprechen. Als Betroffener ist dies dem Autor des Buches „Wenn die Pause zur Hölle wird – Wie du dich gegen Mobbing stärkst und Selbstvertrauen gewinnst“ eindrucksvoll gelungen. Der 29-Jährige hat Psychologie studiert und unter anderem bei der „Nummer gegen Kummer“ gearbeitet. Heute ist er als psychosozialer Berater bei der Aidshilfe in Frankfurt tätig und besucht regelmäßig Schulen, um anhand seiner eigenen Erlebnisse über Mobbing aufzuklären und Tipps zu geben, wie man Hilfe bekommt.

Er liest an diesem Morgen nur zweimal aus seinem Buch vor; stattdessen erzählt er eindringlich und offen, wie alles mit seinem Schulwechsel zum Gymnasium begann. Die Schülerinnen und Schüler der 6c hören ihm mucksmäuschenstill zu, als er schildert, wie er als schüchterner Junge, der nach der Grundschule als einziger aus seinem kleinen Ort an die große Schule mit 1500 Schülern gekommen war, nur schwer Anschluss an bereits bestehende Cliquen fand. Die großen Hoffnungen, die er auf die erste Klassenfahrt gesetzt hatte, wurden zerstört. Auch heute noch merkt man Norman Wolf an, dass die alten Gefühle von Scham hochkommen, wenn er erzählt, wie er dort erstmals zur Zielscheibe seiner Mobber wurde. In der Hoffnung auf Freundschaft hatte er unter anderem familiäre Probleme offenbart, was zunächst mit drastischen Beleidigungen, die sich schnell in einer Negativspirale steigern, gegen ihn verwendet wurde. Fortan bestimmt die Angst jahrelang sein Leben. „Mein Leben war ein Countdown, bis der nächste Schultag beginnt.“ Am schlimmsten ist es in der Zeit von der 5. bis zur 7. Klasse. Vor allem in den Pausen und vor Beginn des Unterrichts fühlt er sich schutzlos den Attacken einiger Mitschüler ausgeliefert. Wolf stellt klar, Mobbing ist nicht Streiten oder Ärgern, sondern Mobbing hat immer mit einem Kräfteungleichgewicht zwischen Opfern und Tätern zu tun und geschieht aus Absicht. Die Hänseleien, Demütigungen und schließlich auch gewalttätige Übergriffe nehmen zu, sein Selbstwertgefühl immer weiter ab. „In der Schule keine Freunde und zuhause ist es genauso schlimm.“ Seiner Mutter will er sich nicht anvertrauen, um sie nicht noch zusätzlich zu belasten. So versucht er, unsichtbar zu sein, isst gegen die Angst und Einsamkeit, legt an Gewicht zu und wird noch stärker gemobbt. Auf die Frage nach dem Warum erhält er die Antwort „Weil du du bist“. Scham, Ekel, Wertlosigkeit bestimmen sein Selbstbild. Über die Motive der Täter sagt er: „Sie finden immer einen Grund. Sie wollen sich selbst gut fühlen, wollen jemanden runter machen. Andere schauen zu oder beklatschen es, auch aus Angst, selbst Opfer zu werden. So beginnt ein Teufelskreis aus Angst, Ignoranz, Unwissenheit und Duldung.“ Als ihm die Nase blutig geschlagen wird, vertraut er sich endlich einem Lehrer an, wird aber nicht ernst genommen, sondern mit dem Satz abgespeist: „Wenn du sie ignorierst, hören sie irgendwann auf.“ Daran schließt sich sein leidenschaftlicher Appell an die Schülerinnen und Schüler an, die offen und empathisch auf seine Fragen und Impulse eingegangen sind: „Damit erzieht man die Betroffenen zu hilflosen Menschen. Es hört erst auf, wenn ich mich zur Wehr setze. Ich suche mir Hilfe, wenn ich anfange, darüber zu reden.“ Für ihn selbst endet diese schmerzhafte Schulzeit erst, als seine Mobber in den nächsten Jahren das Gymnasium aus den verschiedensten Gründen verlassen. Am Schluss seines ca. anderthalbstündigen Vortrags fasst Wolf die Konsequenzen seiner Erfahrungen zusammen: „Mobbing ist kein Modewort und trägt auch nicht zur Charakterbildung bei, sondern hinterlässt lebenslange Narben.“ Sein Buch ist ein Versuch, diese Narben zu heilen. Mit eindringlichen Sätzen macht er Betroffenen Mut: „Du bist nicht schuld. Du bist nicht allein. Du darfst dich wehren. Such dir Hilfe und sprich darüber.“

Dies kann Melanie Süverling vom psychosozialen Beratungsteam des Goethe-Gymnasiums nur unterstreichen: „Leider gibt es nach wie vor viele Kinder, die in allen Schulformen mit diesem Thema schon Erfahrungen sammeln mussten. Aus diesem Grund ist es uns wichtig, die Konsequenzen von Mobbing anzusprechen und unseren Schülerinnen und Schülern bewusst zu machen.“ Lehrerin Kerstin Hannemann, die ihre Englischklasse zu der Lesung begleitet hat, pflichtet ihr bei: „Es hat mich sehr betroffen gemacht, zu hören, wie wenig Unterstützung Norman Wolf von schulischer Seite bekommen hat, und deutlich zu spüren, wie diese Wunden bis heute nachwirken. Ich hoffe, unsere Schülerinnen und Schüler haben seine wertvolle Botschaft ‚Du bist nicht allein. Es gibt Menschen, die wollen dir helfen!‘ mitgenommen.“

Kerstin Hannemann